Tangofolklore

TEXT Champagner auf Nackter Haut (nur Text)

Date: Lunes, Mayo 30 2005
Topic: Archiv 2005

Kunstvoller Liebesakt: Nicole Nau und Luis Pereyra verführten den Culture Club mit Tango

Dramaturg Julio López war es gelungen, die Geschichte des Tangos zu einem Gesamtkunstwerk zu erzählen, das im Wechselspiel zwischen Akrobatik und Kraft auf der einen, und Eleganz auf der anderen Seite aufging.



Wer von Liebe erzählt, der muss sich nicht unbedingt des Wortes bedienen. Es scheint logisch, dass die Begehren des Körpers am authentischsten durch ihn selbst, nicht durch Komunikationsmodelle auf rationaler Ebene ausgedrückt werden müssen. Mit dem Programm " El Sonido de mi Tierra" / Der Klang meiner Erde" trat das Paar Nicole Nau & Luis Pereyra den Beweis an: zwar durchsetzten sie ihre Performance immer wieder mit Aphorismen, Lyrik und kurzen Prosatexten, doch blieb der pure Tanz auch im hanauer Culture Club stets im Fokus des Bühnen- Geschehens.  

"Gerne möchten wir mit Ihnen die Klänge Argentieniens teilen", versprach der Prolog einer Darbietung, die auf der Haut prickelte, wie Champagner in einer heissen Liebesnacht. Dabei umarmten sich Impressionen der klassischen, mit solchen der zeitgenössischen Tangokultur. Wie jede lebendige Ausdrucksform hat sich auch der argentinische Tango nicht von den Einflüssen der Moderne abschotten können. Jazz und Modern Dance haben ihre Spuren hinterlassen. Der Spagat zwischen Tradtion und Avant Garde gelang Nau und Pereyra fliessend. Leidenschaftlich war das verbindende Element zwischen allen vier Teilen der Show, die durch sparsam eingesetzte Lichteffekte klar das Paar in den Vordergrund treten ließ. Im Gegensatz zu Performances wie "Riverdance" oder "Lord of the Dance" lebt der "Klang meiner Erde" (El Sonido de mi Tierra) weniger vom Reiz des Monumentalen, als vom Können der Akteure, die sich auf der Bühne nie in der Masse verstecken können, sondern dem Auge des Publikums ständig ausgeliefert bleiben.

Es war faszinierend zu beobachten, wie Nau und Pereyra auf dem Parkett miteinander in Interaktion traten: Im ständigen Wechsel von Nähe und Distanz gaben sie eine eindrucksvolle Kostprobe virtuoser Tanzkunst. Bewegung, und nicht mehr, war das Medium, mit dem sie scheinbar jedes Stadium einer innigen Romanze reflektierten. Erwartung und Begehren gingen auf der Bühne in die Konvention des Werbens, schließlich in die Illusion eines kunstvollen Liebesaktes zwischen Klängen und Rhythmen sowie dem Paar selbst über. Dabei verdrehten sich zwei Körper immer wieder ineinander, um im nächsten Moment wie entbrannt auseinander zu streben. Instrumentalist und Sänger Enrique Angel "Quique" Ponce Leon bereichert das Bühnengeschehen mit seinen Interventionen in die Musik vom Band. Wenn überhaupt ein gegengewicht zur unglaublichen Präsenz des Tanzes zu finden war, dann sicherlich in der Musik. Auch diese zeichnete die Tradition desTangos unter dem Einfluss des Zeitgeistes nach. Das strenge Korsett der energiegeladenen, denoch tragenden Folklore lockerte sich mehr und mehr und ließ so Spielraum für fröhlichere, ausgelassene Melodien.

Zwischenzeitlich kam die Performance sogar mit nur miniminalistischen, musikalischen Untermalungen aus, dem Klang der Stille. Dramaturg Julio López war es gelungen, die Geschichte des Tangos zu einem Gesamtkunstwerk zu erzählen, das im Wechselspiel zwischen Akrobatik und Kraft auf der einen, und Eleganz auf der anderen Seite aufging. Warum Andrew Lloyd Webber Ché und Evita in seinem grossen Musicalerfolg ausgerechnet einen gemeinsamen Walzer tanzen ließ, bleibt angesichts des Geschehen schleierhaft. Was hätte ein Drama aus dem Herzen von Buenos Aires besser zusammen fassen können, als das große Kulturerbe Argentiniens selbst? "Der Klang meiner Erde" zumindest war das leidenschaftlichse Bekenntnis  zu einer Tanzform, die mit großen emotionen und ursprünglicher Erotik verführt, ohne dabei dem Klischee der Latino-Welle aus der aktuellen Popkultur anheim







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